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die beliebte Casting-Show „DSDA – Deutschland sucht das Atommüll-Endlager“ geht in die Vorauswahl: Feierlich entrollte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) die Karte, auf der in Violett (Ton), Türkis (Steinsalz) und Orange (Granit) geologisch geeignete Areale verzeichnet sind. Nominiert sind demnach neunzig Gebiete in ganz Deutschland. Konkret heißt das, und das ist das Brisante der Nachricht: Gorleben ist raus, Bayern ist drin. Damit benennt die farbenfrohe Karte als erstes offizielles Dokument überhaupt den Freistaat als endlagertauglich. Und das aufgrund wissenschaftlicher Kriterien.

Nun geht der Streit erst richtig los: Während die einen sich in ihrem jahrzehntelangen Widerstand bestätigt sehen, sträuben sich die anderen gegen das Ergebnis. Die Bürgerinnen und Bürger im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg hatten immer wieder darauf hingewiesen, dass laut wissenschaftlichen Gutachten das Deckgebirge über dem Salzstock Gorleben als Barriere nicht ausreicht – nun ist es amtlich. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hingegen pocht weiter auf den Koalitionsvertrag zwischen CSU und Freien Wählern, in dem steht: „Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.“ Man stelle sich vor, wie diese Aussage über zwei Drittel der Fläche Bayerns hallt – denn so viel geeigneten Platz für ein Endlager sieht die BGE dort.

Doch wer Bayern als Atommüllstandort ins Gespräch bringt, beißt auf Granit. Dabei erstreckt sich besonders viel von diesem potenziell lagertauglichen Gestein unter ausgedehnten bayerischen Landstrichen. Man wolle sich zwar nicht wegducken, lässt Söder nun verlauten, erwarte doch zumindest eine faire Beurteilung.

Aber ist Gorleben wirklich vorschnell ausgeschieden, wie Söder kritisiert? Das ist Schmarrn. Nicht nur, dass der umstrittene Salzstock im Erkundungsbergwerk aus geologischen Gründen für ein Endlager nicht in Frage kommt. Den Menschen in dem 600-Einwohner-Dorf, die sich seit Jahrzehnten wehren, bleibt vorerst ein strahlendes Erbe in Form der riesigen Zwischenlagerhalle auf der anderen Straßenseite erhalten. Und die beherbergt 113 Castorbehälter, „jeder davon in der Lage, die Welt aus den Angeln zu heben“, wie Jürgen Schulz, parteiloser Landrat im Wendland, es ausdrückt.

Das sollte Söder sich vielleicht vor Augen führen, bevor er sich beklagt, das bisher von der Endlagerfrage verschonte Bayern werde unfair behandelt – übrigens das Bundesland mit den meisten Reaktoren und traditionell atomkraftfreundlichen Regierungen. Außerdem sind weiterhin viele norddeutsche Standorte im Rennen, darunter das Tongestein unweit von Gorleben oder ein Salzstock bei Wippingen im Emsland, wo die Bürgerinnen und Bürger schon in den Siebzigerjahren protestierten. Selbst Areale unter Städten wie Bremen und Berlin sind auf der Karte verzeichnet.

Bis zur Entscheidung ist es noch ein langer Weg. Die BGE will bis zum Juni 2021 auf Fachkonferenzen mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen. Dann werden die bunten Flecken auf der Karte kleiner: Dichte Siedlungsflächen und Naturschutzgebiete dürften bis zum Entscheidungsjahr 2031 gestrichen werden. Spätestens dann wird sich zeigen, ob es wirklich nur nach harten, wissenschaftlichen Kriterien geht – oder nicht doch auch um Interessenspolitik.

Zu guter Letzt noch ein Aufruf in eigener Sache: Für ein Interview im Greenpeace Magazin suchen wir eine Familie, die sich mit uns über das Thema Konsum austauschen möchte. Wir wollen drei Generationen an einen Tisch bringen und herausfinden: Wie unterscheiden sich die Perspektiven von Jugendlichen, ihren Eltern und Großeltern voneinander? Was ist notwendig, was ist Luxus? Ist geizig das neue nachhaltig? Muss man wirklich immer das neueste Smartphone haben? Wie wirkt das heutige Konsumzeitalter auf die Nachkriegsgeneration? Und gerade in der Weihnachtszeit – wie halten Sie es mit Geschenken, die vielleicht nicht einmal auf Begeisterung treffen? Meine Kollegin Teresa Kraft freut sich auf Ihre Mail an gpm@greenpeace-magazin.de.

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Unser Autor Thomas Merten über die bayerische Allergie gegen die Atommüll-Frage
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Thomas Merten
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