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Berichte, dass die griechische Küstenwache bei der Abwehr von Migranten nicht zimperlich vorgeht, gibt es schon lange. Bei einem Einsatz, der später möglicherweise eine illegale Aktion mündete,

waren auch Bundespolizisten dabei.

Berlin (dpa) - Bei einem umstrittenen Einsatz gegen Migranten in der Ägäis zwischen Griechenland und der Türkei waren auch Bundespolizisten beteiligt. Das gehe aus einem Schreiben des Chefs der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, an die EU-Kommission hervor, berichtete der «Spiegel», auch «Report Mainz» habe den internen Bericht einsehen konnten. Das Bundesinnenministerium bestätigte, dass deutsche Kräfte bei dem fraglichen Einsatz vor Ort waren.

Wie der «Spiegel» berichtet, entdeckte ein griechischer Beobachtungsposten am Morgen des 10. August ein Schlauchboot mit Migranten auf dem Meer, das sich bereits eindeutig in griechischen Gewässern befunden habe. Das Bundespolizei-Schiff «Uckermark» sei eine Viertelstunde später vor Ort gewesen und habe 40 Menschen auf dem überfüllten Schlauchboot vorgefunden. Die Besatzung habe niemanden an Bord genommen, sondern auf die griechische Küstenwache gewartet. Das habe dem Befehl entsprochen, schreibt Frontex laut «Spiegel» in dem internen Bericht. Die «Uckermark» habe das Boot bis zum Eintreffen der Griechen an der Weiterfahrt gehindert.

Ein zwei Stunden später aufgenommenes Foto der türkischen Küstenwache zeigt laut «Spiegel» die Rettung von 40 Migranten aus einem Schlauchboot durch türkische Sicherheitskräfte. Im Raum steht der Verdacht einer nach internationalem Recht illegalen Ausweisung ohne vorige Prüfung etwa einer Bitte um Asyl (Pushback).

Die griechischen Behörden, die Leggeri laut «Spiegel» zitiert, sprachen von einer «verhinderten Einreise», die Migranten hätten freiwillig den Rückweg angetreten. Auf Frontex-Nachfrage habe es geheißen, die Küstenwache habe «Grenzschutzmaßnahmen ergriffen, um die Ankunft auf Samos zu verhindern».

Das Bundesinnenministerium bestätigte der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage die groben Züge des Einsatzes, soweit die Bundespolizei involviert war. Die deutschen Einsatzkräfte hätten im Rahmen des Frontex-Einsatzes Poseidon gehandelt und seien griechischen Behörden unterstellt gewesen, sagte eine Sprecherin. Auf deren Bitten seien sie zu dem Schlauchboot gefahren und dann bis zum Eintreffen der Küstenwache vor Ort geblieben.

«Angaben zum Sachverhalt haben die deutschen Beamtinnen und Beamten vorschriftsgemäß den griechischen Behörden und Frontex gemeldet», gab sie an. «Belastbare Beweise oder gesicherte Erkenntnisse darüber, diesen Sachverhalt als sogenannten Pushback anzusehen, liegen bisher nicht vor.» In zwei Wochen werde der Frontex-Verwaltungsrat sich erneut mit Vorwürfen von Pushbacks befassen.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Frank Schwabe, fordert einen Rückzug der Bundespolizei aus der Ägäis: »Deutsche dürfen sich auf keinen Fall an Pushbacks beteiligen, auch nicht indirekt. Und wenn Frontex das nicht sicherstellen kann, muss das deutsche Kontingent zurückgezogen werden», sagte er dem «Spiegel».

Es gab bereits mehrmals Berichte, wonach griechische Grenzschützer Schlauchboote mit Migranten an Bord in der Ägäis in Richtung Türkei zurücktreiben.

«Spiegel», «Report Mainz» und andere internationale Medien hatten im Oktober berichtet, dass griechische Grenzschützer Schlauchboote mit Migranten an Bord in der Ägäis in Richtung Türkei zurücktreiben. Sie beriefen sich dabei auf Angaben Betroffener sowie auf Videoaufnahmen. Den Berichten zufolge waren seit April 2020 bei mehreren dieser Aktionen Frontex-Beamte in der Nähe.

So soll in einem Fall ein Frontex-Schiff ein überladenes Boot mit Migranten zunächst blockiert, die Insassen aber nicht aufgenommen haben. Stattdessen seien die Beamten «mit hohem Tempo» an dem Boot vorbeigefahren und hätten den Ort verlassen. Auf weiteren Videos sei zu sehen, wie die griechische Küstenwache das Schlauchboot später weiter in Richtung Türkei zurückschiebt. In einem anderen Fall soll ein Frontex-Überwachungsflugzeug den Standort überflogen haben.

Auch deutsche Soldaten haben in der Ägäis bereits mehrfach beobachtet, wie Boote mit Migranten auf dem Weg in Richtung Griechenland in türkische Gewässer zurückgedrängt werden. Nach Informationen der dpa wurden im Juni drei solcher Vorfälle dokumentiert.

Menschenrechtsorganisationen haben Athen schon mehrfach vorgeworfen, die illegalen Zurückweisungen zu erlauben. Athen bestreitet dies.

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