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Die Gedanken der meisten Teenager dürften meistens um sich selbst und ihre Freunde kreisen. Aber wie sehr schauen 15-Jährige auch über den Tellerrand hinaus, etwa in andere Länder? Eine Pisa-Sonderauswertung zeigt: Deutsche Schüler sind da eher wenig interessiert.

Berlin (dpa) - Die 15-Jährigen in Deutschland sind im internationalen Vergleich überdurchschnittlich mehrsprachig, haben viele Freunde aus anderen Ländern und fühlen sich auch gut über globale Fragen wie Armut und Klimawandel informiert. Allerdings ist auf der anderen Seite das erklärte Interesse daran, etwas über andere Kulturen zu lernen, vergleichsweise niedrig. Das zeigt eine Sonderauswertung der Pisa-Studie, die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Donnerstag vorgelegt wurde.

Der Studie zufolge gaben 86 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland an, dass sie zwei oder mehr Sprachen sprechen (OECD-Schnitt 68 Prozent). 61 Prozent sagten, dass sie in der Schule zwei oder mehr Fremdsprachen lernen (OECD-Schnitt 50 Prozent). Die große Mehrheit von 77 Prozent gab an, dass es in ihrem Freundeskreis Kontakte zu Menschen aus anderen Ländern gibt (OECD-Schnitt 63 Prozent).

Im Unterschied dazu, zeigt die Befragung allerdings auch ein niedrigeres Interesse bei deutschen Schülern, etwas über andere Kulturen zu lernen (47 Prozent, OECD-Schnitt 54 Prozent). Zudem denken deutsche Jugendliche nicht, dass sie viel an globalen Problemen ändern können und engagieren sich entsprechend weniger als Jugendliche in anderen Staaten. So gaben weniger deutsche Schüler als im OECD-Schnitt an, dass sie zu Hause Strom sparen oder beim Kauf von Produkten nach ethischen oder ökologischen Gesichtspunkten entscheiden beziehungsweise sich politisch durch Beteiligung an Petitionen engagieren.

«Eine mögliche Interpretation ist, dass ein hohes Verständnis für die Komplexität der globalen Probleme eher zu der Einschätzung führt, dass man als Individuum wenig zur Lösung beitragen kann», sagte die deutsche Pisa-Koordinatorin Kristina Reiss.

Datengrundlage für die Studie ist die Auswertung von Fragebögen von mehr als 3800 Schülern, die am jüngsten Pisa-Test 2018 teilgenommen haben. Bei dem Schulleistungsvergleich, für den die OECD verantwortlich ist, werden neben den obligatorischen Tests in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften bei 15-Jährigen jeweils auch persönliche Daten und Einschätzungen per Befragung erhoben. Diese werden für Sonderauswertungen genutzt. So kommt es auch zwischen den eigentlichen Pisa-Ergebnissen, die nur alle drei Jahre vorgelegt werden, immer wieder zu Veröffentlichungen von Pisa-Studienergebnissen.

In den Fragebögen mussten die Schüler unter anderem beantworten, wie gut sie sich mit internationalen Themen wie Hunger, den Gründen für Armut oder den Klimawandel informiert fühlen und ob sie diese erklären könnten. Gefragt wurden sie auch, ob sie privat auf Dinge wie ihren Energieverbrauch achten, sich politisch bei Petitionen beteiligen, sich online über internationale Entwicklungen informieren oder mehr über andere Länder und Kulturen lernen wollen.

«Bildung hilft jungen Menschen entscheidend dabei, sich in dieser zunehmend komplexen und vernetzten Welt zurechtzufinden», sagte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. Schulen und Bildungssysteme, denen es am besten gelänge Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen in Bezug auf globale Entwicklungen bei jungen Menschen zu fördern, hätten etwas gemeinsam: «Sie haben Lehrpläne, in denen Weltoffenheit eine wichtige Rolle spielt, sie sorgen für eine positive und inklusive Lernumgebung, und sie bieten Möglichkeiten, Beziehungen mit Personen aus anderen Kulturen einzugehen.»

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte, diesen Bereich an allen Schulen in Deutschland stärker zu fördern. «Es darf nicht dabei bleiben, dass die Kenntnisse junger Menschen über globale Zusammenhänge von der Schulform oder dem Elternhaus abhängen. Diese Fragen gehen alle an. Deshalb müssen ökologische und soziale Zusammenhänge in jeder Schule mit hoher Qualität vermittelt werden», sagte GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann am Donnerstag.

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