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Um Gorleben als Standort eines Endlagers für radioaktiven Atommüll wird seit Jahrzehnten gestritten, nun soll entschieden werden, welche Gebiete in Deutschland infrage kommen. Mit banger Sorge schauen die Bürger im Wendland auf den Zwischenbericht am Montag.

Gorleben (dpa) - Beschaulich, fahrradfreundlich und äußerst lebenswert: Das Wendland östlich der Lüneburger Heide hat nicht erst in Corona-Zeiten einen Schub als Urlaubsregion erfahren. Bekannt geworden ist der Landkreis Lüchow-Dannenberg durch vier Jahrzehnte Streit um Atomkraft und die Einlagerung von hoch radioaktivem Abfall.

Nicht wenige der einstigen Studenten und Aktivisten gegen die Castortransporte nach Gorleben bauten sich eine Existenz in dem dünn besiedelten Landstrich auf. Im Herbst 2020 kommt nun das alte, niemals abgehakte Langzeitthema Endlagersuche wieder hoch. Mit banger Erwartung blicken sie in der ländlichen Region auf Montag, wenn die Bundesgesellschaft für Endlagerung ein Zwischenbericht mit der Vorstellung der Teilgebiete für das Bundesgebiet vorlegen will.

«Es ist ein wirklicher Neuanfang, es ist der erste systematische Vergleich, den die Bundesrepublik macht. Das Verfahren ist sehr umfassend und gut organisiert», lobt Rebecca Harms, Gründungsmitglied der Bürgerinitiative gegen das geplante Endlager in Gorleben. Die 63-Jährige ist in der Nähe von Lüneburg geboren, inzwischen lebt sie in einem Bauernhaus in der Gemeinde Waddeweitz, wo viele Weggefährten wohnen.

«Das Ganze bedeutet nicht, dass es ein erfolgreicher Abschluss wird. Ich glaube aber, dass die Kriterien, die wir kennen, Gorleben ausschließen - die Akzeptanz kann man hier nicht mehr erreichen», sagt die ehemalige Europa-Abgeordnete der Grünen. Der Salzstock sei nach geologischen Kriterien ungeeignet und auch politisch gescheitert. In den 70er Jahren wurde entschieden, dort ein Endlager einzurichten - nach heftigen Protesten die Suche aber neu gestartet.

Wird es bei der Auswahl keine Rolle spielen, dass Gorleben für deutlich mehr als eine Milliarde Euro schon für ein mögliches Endlager erkundet wurde? «Ich schaue mit einer großen Portion Realitätssinn auf die Entscheidung am Montag, persönlich habe ich die größten Bauschmerzen, was Länder- und Partei-Egoismen angeht», erklärt Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative. «Wir befürchten, dass Gorleben so etwas wie eine Rückfalloption wird, wenn die Suche in anderen Ländern auf Widerstand trifft und scheitert.»

So sei das aktuelle Störfeuer aus Bayern nichts Neues gewesen. Mit Gorleben gebe es einen gut erkundeten Standort für ein sicheres und fast schlüsselfertiges Endlager, hatte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) dem «Spiegel» gesagt.

Während einige Geologen Salzstöcke prinzipiell für geeignet halten, haben andere Experten erhebliche Bedenken. Die Gegner von Gorleben führen etwa Kohlenwasserstoff- und Gasvorkommen ins Feld. Salz ist hitzebeständig. Es fließt und könnte so die Behälter einschließen. Dadurch ist aber eine mögliche Rückholung weitgehend ausgeschlossen.

Er habe sich nicht um ein Endlager beworben, sagte der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD). Aber: «Es ist auch wegen der geologischen Struktur davon auszugehen, dass nennenswerte Teile von Niedersachsen dabei sind.»

Allein das Verfahren sehen die Umweltschutzorganisation BUND und die Bürgerinitiative nicht so positiv. Vor dem Hintergrund eines neuen Gutachtens fordern sie, Gorleben aus der Diskussion zu nehmen. Der Salzstock befinde sich in einer aktiven Störungszone, in der in den letzten 34 Millionen Jahren Bewegungen im Erdinneren stattgefunden haben, die bis in eine Tiefe von 30 Kilometern nachweisbar sind und die Bildung von eiszeitlichen Rinnen begünstigten, heißt es von Geologen. Hinzu komme, dass eine gasführende Schicht unter dem Salzstock wahrscheinlich ist und somit keine günstige geologische Gesamtsituation vorliege.

Für den 4. Oktober hat Ehmke eine kleine Demonstration in Gorleben angemeldet. «In Corona-Zeiten sind wir ganz bescheiden», meint der Atomkraftgegner. Neben der Suche nach dem Endlager treibt ihn auch die Situation im nur 500 Meter Luftlinie vom Bergwerk entfernten Zwischenlager um, in dem 113 Behälter mit hoch radioaktivem Müll lagern. Die Decke sei nicht besonders dick, die Sicherheit soll angeblich durch die Castorbehälter geben sein. «Das Ganze ist unterirdisch», sagt der 73-Jährige. Silvester 2034 erlischt die befristete Betriebsgenehmigung, die Endlagersuche soll 2031 enden. Maximale Sicherheit für eine fast unendliche Zeit ist das Ziel.

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