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Kairo (dpa) - In Ägypten sind der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge Anfang Oktober fast 50 Menschen innerhalb von zehn Tagen hingerichtet worden. Darunter seien 15 Männer, die wegen «politischer Gewalt» verurteilt wurden, teilte die Organisation am Donnerstag mit, und sprach von einem «ungeheuerlichen» Vorgehen. «Der systematische Mangel an fairen Verfahren in Ägypten, insbesondere in politischen Verfahren, verwandelt jedes Todesurteil in einen Verstoß gegen das Recht auf Leben», erklärte Joe Stork, Nahost-Experte bei Human Rights Watch.

Von offizieller Seite ließen sich diese Angaben nicht bestätigen. Regierungsnahe Medien hatten Anfang Oktober insgesamt aber von mehr als 30 Hinrichtungen in mehreren Fällen berichtet. Das unabhängige Al-Shehab Center for Human Rights veröffentlichte außerdem die Namen 15 weiterer Gefangener, die hingerichtet worden seien.

Laut Amnesty International wurden in Ägypten vergangenes Jahr so viele Menschen hingerichtet wie in kaum einem anderen Land. Im weltweiten Vergleich ließen nur China, der Iran, Saudi-Arabien und der Irak mehr Menschen exekutieren. Danach folgten die USA, Pakistan und Somalia. Laut Human Rights Watch erließen ägyptische Straf- und Militärgerichte seit 2014 mehr als 2500 Todesurteile.

Gerichte und Behörden in Ägypten kündigen Hinrichtungen meistens nicht an und informieren die Angehörigen der Verurteilten auch nicht darüber. Laut Human Rights Watch werden Geständnisse in ihren Verfahren auch durch Folter erzwungen und ohne Zugang zu Anwälten für die Gefangenen. Kritiker beklagen außerdem, dass Angeklagte in Massenverfahren keine Chance auf einen fairen Prozess haben.

Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte die Todesstrafe vergangenes Jahr als Form der «Vergeltung» bezeichnet - nicht etwa als Form des Strafvollzugs. Anders als etwa die europäischen Länder müssten Ägypten und andere Länder im arabischen Raum für Sicherheit sorgen und sich «vor dem Niedergang» bewahren.

Die jüngsten Hinrichtungen folgen auf einen umstrittenen Vorfall im berüchtigten Tora-Gefängnis in Kairo, bei dem vier Sicherheitskräfte und vier Gefangene getötet wurden. Nach Darstellung der Behörden sollen die Häftlinge versucht haben, aus dem Hochsicherheitstrakt auszubrechen. Anwälte, Angehörige von Häftlingen und Ex-Gefangene zweifeln an dieser Darstellung des Vorfalls. Es bestehe der Verdacht, dass die Hinrichtungen eine Form der Vergeltung an den getöteten Sicherheitskräften seien oder ein Versuch, Zeugen zu beseitigen.

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