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Miet-Autos, Miet-Roller - aber Miet-Bienen? Das Mieten von Bienenvölkern kommt in Mode. Experten geben zu bedenken, dass es viel wichtiger sei, den Lebensraum für Bestäuber zu erhalten und wieder auszuweiten.

Heidelberg (dpa) - Ein großer Parkplatz in einem Heidelberger Industriegebiet. Lastwagen, Paletten - und daneben sirrt und summt es. Bienen schwirren um zwei Bienenstöcke auf einem schmalen Grasstreifen hinter den Fahrzeugen. Die rund 80 000 Bienen auf dem Hof der Spedition Fels sind sogenannte Mietbienen. Für eine Gebühr werden sie von Imker Jörg Staffel gehegt. «Schon ab 159 Euro im Monat können Sie die Anzahl Ihrer Angestellten um mehrere Zehntausend vergrößern. Alle bienenfleißig, versprochen!», bewirbt der Kleinunternehmer seine «Südwest Bienen».

Im Jahr schaut er etwa ein Dutzend Mal am Bienen-Standort der Firma Fels nach dem Rechten. «Die Bienen sind heute recht entspannt, obwohl es feucht und kühl ist, was sie eigentlich gar nicht mögen», sagt Staffel. Von seinen 35 Bienenvölkern hat er derzeit 10 vermietet. Mit Rundumversorgung inklusive Meldung beim Veterinäramt, Bekämpfung von Schädlingen wie der Varroa-Milbe und Winterfütterung.

Fels-Geschäftsführer Thomas Beck sagt: «Das ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.» Sowohl für die Umwelt als auch für Image und Marketing bringe das Projekt Vorteile. «Das war uns ein Herzensanliegen.» Außerdem kann er nach der Ernte Mitte Juli mit 200 Gläsern Honig «seiner» Bienen rechnen - «Fels-Honig» für Mitarbeiter und Kunden.

Staffel ist einer von rund 145 000 Imkern in Deutschland. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Honig liegt in Deutschland bei etwa einem Kilogramm im Jahr. «Darin sind wir Weltmeister», sagt Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart. Der Bedarf wird zu etwa 70 Prozent durch Importe gedeckt. Nur ein Prozent der deutschen Imker sind Berufsimker, die übrigen Hobbyimker - in wachsender Zahl. «Imkern ist heute hipp», sagt der 35-jährige Staffel.

Für Staffel sind die Bienen auch ein Beitrag zur Nahrungsmittelversorgung: Mit ihrem Verschwinden würden wichtige Bestäubungsleistungen verloren gehen. «Das würde vor allem die Obstbäume treffen», sagt Staffel. Laut Deutschem Imkerbund würden die Erträge bei Äpfeln und Kirschen um 60 Prozent, bei Birnen sogar um 90 Prozent reduziert. Staffel betont: «Honig kann man importieren, Bestäubungsleistung nicht.»

Von einem Bestäubungsnotstand sei man hierzulande weit entfernt, sagt Institutsleiter Rosenkranz mit Blick auf die wachsende Zahl der Imker und Bienenvölker. «Mietbienen im Industriegebiet tun niemanden weh, aber lösen auch keine Umweltprobleme», gibt er zu bedenken. Es gehe in Zeiten von Monokulturen darum, den Lebensraum für Bestäuber wie Bienen, Schwebfliegen, Schmetterlinge und Käfer zu erhalten. «Wenn ein Unternehmen nur 50 bis 100 Quadratmeter Wiese mit Blühpflanzen anlegen würde, wäre das effizienter als ein paar Bienenstöcke aufzustellen.»

Auch beim Nabu findet die Idee der Mietbienen kein uneingeschränktes Lob. «Ich habe kein Problem, wenn Bienenkästen auf Hotels oder Botschaften aufgestellt werden, aber das rechtfertigt nicht, sich ein Öko-Image zu verpassen», sagt Nabu-Bienenexpertin Melanie von Orlow. Auch sie betont: Wichtiger und nachhaltiger sei die Ausweitung des Lebensraumes für Insekten und andere Tiere etwa durch Dachbegrünungen.

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