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Unter den ukrainischen Flüchtlingen sind viele Kinder, das stellt deutsche Schulen vor Herausforderungen. KMK-Präsidentin Prien erwartet mehrere Hunderttausend geflüchtete Kinder in den Schulen. Nicht nur aktive Lehrer sollen sie unterrichten.

Kiel/Berlin (dpa) - Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien, rechnet damit, dass in Deutschland künftig mehrere Hunderttausend geflüchtete Kinder aus der Ukraine unterrichtet werden müssen. Prognosen seien schwierig, sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Die CDU-Politikerin verwies darauf, dass die Bundesregierung damit rechne, dass eine Million Menschen aus der Ukraine nach Deutschland kommen könnten. «Davon werden sicherlich 40 Prozent Schülerinnen und Schüler sein. Das wären dann bis zu 400 000 junge Menschen, denen wir im deutschen Schulsystem erst einmal gerecht werden müssen.» Das könnte Prien zufolge einen Bedarf von etwa 24 000 Lehrerinnen und Lehrern nach sich ziehen.

«Das System Schule steht noch immer massiv unter Stress», sagte die KMK-Chefin mit Hinweis auf die noch nicht überstandene Corona-Pandemie. Die Herausforderung, viele junge Menschen aus der Ukraine zu integrieren, komme auf die bisherigen Aufgaben obendrauf.

Die Zahl ukrainischer Schülerinnen und Schüler an Schulen und Berufsschulen in Deutschland lag in der vergangenen Woche - sechs Wochen nach dem Beginn des russischen Angriffs auf das Nachbarland - bei knapp 60 000. Die KMK fragt die Zahlen wöchentlich in den Ländern ab. Mit mehr als 12 000 Anmeldungen lag demnach Bayern an der Spitze, vor Nordrhein-Westfalen mit mehr als 8700 und Baden-Württemberg mit mehr als 8400 angemeldeten Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine.

Bildungspolitiker schätzen, dass etwa die Hälfte der in Deutschland ankommenden Kriegsflüchtlinge Kinder und Jugendliche sind. Seit Kriegsbeginn hat die Bundespolizei 346 397 Flüchtlinge aus der Ukraine festgestellt, wie das Bundesinnenministerium am Freitag bei Twitter mitteilte. «Überwiegend sind es Frauen, Kinder und alte Menschen.» Da Ukrainer visumsfrei einreisen können, dürfte die tatsächliche Zahl der Schutz suchenden Kriegsflüchtlinge in Deutschland höher liegen.

Um den Unterricht zu gewährleisten, denkt Prien an höhere Stundenzahlen von Teilzeitkräften, die Reaktivierung von Seniorlehrkräften oder Pensionären sowie Studierende im Praktikum. «Und wir wollen Lehrkräfte einbinden, die selbst aus der Ukraine geflüchtet sind.» Sie seien ideal geeignet, Kinder und Jugendliche aus ihren Ländern in Willkommensklassen zu betreuen.

Bildungsgewerkschaften forderten von der Politik Klarheit bei der Unterrichtung von ukrainischen Kindern. «Da sich die personelle und räumliche Situation an den Schulen ständig weiter zuspitzt, erwarte ich von der Kultusministerkonferenz, dass sie nicht nur den Bedarf vorrechnet, sondern auch sagt, was sie konkret tun wird», sagte der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, RND. Die Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, forderte im RND: «Die Schulen brauchen jetzt so zügig wie möglich zusätzliche finanzielle und personelle Ressourcen, um die Herausforderung zu meistern, perspektivisch mehrere Hunderttausend geflüchtete ukrainische Schülerinnen und Schüler zu integrieren.» Es seien Bund, Länder und Kommunen gefordert.

Skeptisch äußerte sich Prien dazu, ob die Kinder und Jugendlichen nach ukrainischem System unterrichtet werden sollten. Die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka hatte gemahnt, auf eine Kontinuität der Bildungsprozesse und ein Aufrechterhalten der nationalen Identität ukrainischer Kinder zu achten. Es gehe um einen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland.

Prien sagte: «Integration ist untrennbar damit verbunden, dass die Kinder und Jugendlichen Deutsch als Bildungssprache lernen. Niemand weiß, wie lange die Menschen bleiben.» Wenn man Fehler der Vergangenheit vermeiden wolle, müsse man es von Anfang an so angehen, als blieben sie länger hier. Es sei gut, wenn Kinder und Jugendliche im Einzelfall Kontakt zu ihrer alten Schule hätten und online zusätzlich ukrainische Angebote wahrnähmen. «Wir werden in Deutschland aber kein paralleles Schulsystem für die Ukraine aufbauen.»

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