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Im zweitkleinsten britischen Landesteil Wales spielt Landwirtschaft eine wichtige Rolle. Stolz ist Regierungschef Drakeford auf die Fischerei. Umso mehr warnt er vor den Folgen eines No-Deal-Brexits.

Cardiff (dpa) - Bei einem britischen Austritt aus der EU ohne einen Handelspakt fürchtet Wales schwere Folgen für seine wichtige Landwirtschaft. So liefere derzeit die «erfolgreiche» Fischindustrie in Nordwales etwa 90 Prozent ihrer Produkte in die EU, sagte der Regierungschef des zweitkleinsten britischen Landesteils, Mark Drakeford, der Deutschen Presse-Agentur. Falls Großbritannien und die EU sich aber nicht auf einen Handelsvertrag einigten, könne es zu Lieferproblemen kommen und die Ware verderben. «Verzögerungen im Ablauf könnten das Ende dieser Industrie bedeuten», sagte Drakeford.

«Es liegt in der Natur der walisischen Wirtschaft, dass wir einem No Deal besonders stark ausgesetzt sind», betonte er. Es werde deutlich mehr in die EU exportiert als in die anderen Landesteile Großbritanniens.

Während Großbritannien ein Nettozahler der EU war, war das landwirtschaftlich geprägte Wales - einst eine wichtige Bergbauregion - stets Nettoempfänger. Bisher erhält die walisische Landwirtschaft - neben dem Verarbeitenden Gewerbe die wichtigste Branche - jährlich über die EU-Agrarhilfe rund 337 Millionen Pfund (378 Mio Euro) aus Brüssel. Künftig sollen 242 Millionen Pfund aus London fließen. Die britische Regierung von Premierminister Boris Johnson betont, dass zusätzliche Zahlungen die Differenz ausgleichen würden. Doch die walisischen Landwirte sind skeptisch und werfen London «Betrug» vor.

Drakeford schloss sich der Kritik an. «Der Premierminister und andere führende Persönlichkeiten der «Leave»-Kampagne haben versprochen, dass Wales durch den Austritt aus der Europäischen Union keinen Penny schlechter gestellt sein würde», sagte der 66-Jährige. Doch nun fehlten in der Landwirtschaft an die 100 Millionen Pfund. «Und das ist absolut nicht das, was den Menschen in Wales versprochen wurde.»

Beim Brexit-Referendum 2016 hatte eine knappe Mehrheit der Waliser für den Austritt aus der EU gestimmt. Großbritannien ist im Januar aus der EU ausgeschieden. Der wirtschaftliche Bruch steht jedoch erst zum Jahresende mit dem Austritt aus dem Binnenmarkt und der Zollunion an. Der Handelspakt soll Zölle und Handelshemmnisse verhindern. Nach monatelangen Verhandlungen bleiben nur noch wenige Tage zur Einigung, weil ein Abkommen auch noch ratifiziert werden müsste.

Drakeford ist seit November 2018 First Minister - also Regierungschef - von Wales mit gut drei Millionen Einwohnern. Er ist Mitglied der Labour-Partei, der größten Oppositionspartei im britischen Parlament.

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