Ort/Quelle
Berlin (dpa)
Datum
Text

In den Buchhandlungen stapeln sich die Enthüllungen über Trump. In Romanform hingegen ziehen noch recht wenige Schriftsteller gegen den US-Präsidenten zu Felde. Der Schotte John Niven versucht es mit einer Mischung aus politischem Alptraum-Szenario und Rachethriller.

Berlin (dpa) - Wieder ist das Undenkbare wahr geworden: Donald Trump hat auch die Präsidentschaftswahl 2020 gewonnen und die Macht 2024 nach acht Jahren an seine Tochter Ivanka übergeben. Jetzt, im Jahr 2026, ist Amerika ein restlos verrohtes, rassistisches Land, das Atomkriege gegen Nordkorea und Iran geführt hat, Immigranten mit einer Geheimpolizei jagt und die meisten seiner Bürger zu stumpfen «Trump!!!»- oder «USA!!!»-Brüllern erzogen hat.

Was sich wie ein Alptraum-Szenario liest, hat der schottische Kultautor John Niven («Kill your friends», «Gott bewahre») zur Basis seines neuen Romans gemacht. Gleichwohl ist «Die F*ck-It-Liste» keine hölzern missionierende Anti-Trump-Polemik. Sondern ein spannender Rachethriller, der die gar nicht so weit entfernte USA-Dystopie geschickt mit der Tragödie des Journalisten Frank Brill verknüpft.

Denn dieser eigentlich aufrechte Mann aus dem Bundesstaat Indiana - Anfang 60, ohne Angehörige und Job, schwer traumatisiert und todkrank - hat nichts mehr zu verlieren. Anstatt eine positive «Bucket List» zu schreiben (also eine Liste mit schönen Dingen, die man im Leben gerne noch tun möchte), macht sich Brill daran, seine «Fuck-It-Liste» mit lauter Unsympathen abzuarbeiten...

Das Listen-Wortspiel ist nicht der einzige derbe Spaß, den sich Niven (52) gönnt. Wenn er mit triefendem Sarkasmus die faschistoide Protz- und Lügen-Dynastie der Trumps von 2026 beschreibt, bleibt dem Leser zwar häufig das Lachen im Halse stecken. Aber komisch ist es eben doch, wenn «Donald und seine vierte Gattin Chrystal, unübersehbar hochschwanger», in Washington eine Militärparade abnehmen. Der nun 80-jährige Patriarch hat sich nämlich keineswegs aus der Politik zurückgezogen, sondern zieht hinter Ivanka die Fäden. Deren Ex-Mann Jared Kushner muss derweil «für den gewaltigen Haufen Mist, den sein Schwiegervater verbockt hatte, den Kopf hinhalten» - im Gefängnis.

Während die Präsidentenfamilie überwiegend in Saus und Braus lebt (häufig im «Winter White House» in Florida mit seinen Luxushotels und Golfclubs), zieht der vermeintlich harmlose Frank Brill los, um kurz vor seinem Krebstod reinen Tisch zu machen. Er hat noch einige Rechnungen zu begleichen - und muss sich auf seinem Feldzug auch der eigenen Verantwortung für ein traurig verkorkstes Leben stellen.

«Die F*ck-It-Liste» überzeugt als teilweise brutaler und blutiger Krimi, in dem man gebannt den Spuren eines ungewöhnlichen Anti-Helden folgt, der einem Quentin-Tarantino-Film entstammen könnte. Virtuos setzt Niven - mittels Brills Erinnerungen und Beobachtungen im Amerika einer nahen Zukunft - einen politischen Rahmen, der schaudern lässt. Und wenn er im Schlussteil einen entfesselten Donald Trump mit wirren Sätzen im typischen Trump-Stil über «Fake News» auf den Leser loslässt, dann möchte der am liebsten in Deckung gehen.

Niven hat, wie er kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse sagte, mit seinem neuen Buch «früh in diesem ganzen Trump-Alptraum angefangen». Die Vision eines «Proto-Faschismus» in den USA spielt er mit wütender Konsequenz durch, um auch die eigene Furcht vor einer zweiten Amtszeit des monströsen Blonden irgendwie zu bannen.

Der Schotte ist nicht der einzige namhafte Schriftsteller, der sich in Romanform dem Phänomen Trump nähert. Aber es fällt auf, dass die Zahl der Sach- und Enthüllungsbücher über diesen Präsidenten deutlich größer ist. Zuletzt hatte Dave Eggers (50) versucht, mit seiner Polit-Satire «Der größte Kapitän aller Zeiten» Trump lächerlich zu machen. In diesem sieht der US-Autor («Der Circle») «einen absolut instabilen Irren». Den stümperhaften Schiffslenker mit der gelben Feder im Haar, der in dem nur 125 Seiten umfassenden Eggers-Buch auf die Katastrophe zusteuert, fanden indes nicht alle Kritiker so «urkomisch» wie versprochen.

Wie Nivens Roman erschien im Oktober «Homeland Elegien» von Ayad Akhtar (50*), ein auf Anhieb gefeiertes Werk, das über Donald Trump aus dem Blickwinkel muslimischer US-Amerikaner erzählt. Die gesellschaftliche Spaltung seines Heimatlandes, in dem er als Kind pakistanischer Eltern zum misstrauisch bis hasserfüllt beäugten Außenseiter wurde, bildet den Hintergrund eines Vater-Sohn-Konflikts. «Plötzlich kam dieses Gefühl: Ich muss ein Buch schreiben, das bezeugt, was aus Amerika geworden ist», sagte Akhtar, eigentlich ein bekannter Dramatiker, in der ARD-Kultursendung «ttt».

Man hätte sich auch von einem klugen Schriftsteller wie Paul Auster (73) einen Roman über oder gegen Trump vorstellen können - womöglich kommt er ja noch. Mit seiner Meinung über den US-Präsidenten und dessen möglichen Wahlsieg am 3. November hält der New Yorker freilich nicht hinter dem Berg: «Dann ist das amerikanische Experiment einer demokratischen Republik am Ende. Wir bekommen dann eine autoritäre Regierung. Das ist der größte Alptraum, den wir uns vorstellen können», sagte er in der «ttt»-Sendung.

Der große Krimi-Autor Don Winslow (66*) hat in Romanen wie «Tage der Toten» zwar viel über die bittere Realität an der US-Grenze zu Mexiko geschrieben, wo Trump seine «wunderschöne Mauer» bauen lässt. Gegen den Republikaner zieht er derzeit jedoch mit anderen Mitteln zu Felde: Seinen warnenden Posts, eindringlichen Anti-Trump-Videos und «Vote!»-Aufrufen folgen auf Twitter Hunderttausende Winslow-Fans.

Schlagworte
ID
20201027T093113+0100bdt0143
Alle Tags
Literatur
Politik
Wahlen
USA
Großbritannien
Deutschland
Rezensionen