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nach dem Abitur machte ich einen großen Bogen um Literatur. Die hatte man mir, der vormaligen Leseratte, in der Schule gründlich vergällt. Eines Tages drückte mir ein Freund einen Science-Fiction-Roman in die Hand. „Lies!“, befahl er. Ich tat wie geheißen, und ab sofort wurde das Genre zu meinem Lebensabschnittsgefährten. Wer weiß, ob ich sonst je wieder irgendein Buch aufgeschlagen hätte.

Irgendwann fiel mir auf: Mit der Zukunft stimmte was nicht. Vor allem im Kino blieb es stets Männern vorbehalten, Invasionen von Außerir­dischen, Meteoriteneinschläge und andere Heimsuchungen abzuwehren, allenfalls assistiert, oft aber auch nur bewundert von Frauen. Diese existierten nur in Gestalt von kleinen Dummchen, Luxusweibern, Hausfrauen oder Erotikobjekten, allenfalls mal als humorlose und natürlich unattraktive Wissenschaftlerin. Ganz wie beim Bodenpersonal in den Actionfilmen. Die jeweilige „Bond-Gespielin“ etwa durfte 007 nach vollbrachter Rettung der Welt stets nur „Oh James!“ hauchen und dem Helden in die Arme sinken.

Die Männerdomäne Science-Fiction war ja auch mal ein Tarnname gewesen, um Zeitungsleser des 19. Jahrhunderts zur Lektüre der seinerzeit bei echten Kerlen verpönten Romane zu verlocken. Erfunden hatte diese Sparte allerdings eine junge Frau namens Mary Wollstonecraft Shelley. Falls Ihnen der Name nichts sagt: „Frankenstein“ ist Ihnen sicher ein Begriff. Der gleichnamige Roman erschien – anonym – am 1. Januar 1818.

1979, kurz vor dem Beginn des neuen Jahrzehnts, sandte Regisseur Ridley Scott ein wahrhaft furchterregendes außerirdisches Wesen auf die Kinoleinwände des Planeten – ein „Alien“, so der Filmtitel. Im Jahr 2122 ist der ziemlich runtergewohnte Erzfrachter „Nostromo“, der im Gegensatz zur „Enterprise“ nicht aussieht, als hätte gerade jemand feucht durchgewischt, Richtung Erde unterwegs. Ein vermeintliches Notsignal weckt die recht zerknitterte siebenköpfige Crew aus dem Kälteschlaf und lotst sie zu einem unwirtlichen Planetoiden, wo sich ein Crewmitglied das besagte Alien einfängt. Das Unheil nimmt seinen Lauf, das kleine Alien wächst zu einem großen und extrem mies gelaunten Monster heran (aus der Werkstatt des Schweizer Künstlers HR Giger), das alles killt, was sich bewegt.

Die ganze Handlung tut hier nichts zur Sache, nur so viel: Das Ungeheuer dezimiert die Crew nach und nach, bis zum Schluss nur noch eine Frau am Leben ist. In einer dramatischen Aktion gelingt es Ellen Ripley, gespielt von Sigourney Weaver, der Bestie zu entkommen und in einer Rettungskapsel einem ungewissen Schicksal entgegenzureisen, in Begleitung der Bordkatze Jones. (An alle Monster: Ihr könnt euch vielleicht komplette Raumschiffbesatzungen einverleiben, aber um eine Katze zu kriegen, müsst ihr euch schon ein bisschen mehr anstrengen!)

Eine Frau als Heldin, das hatte Scott bei den Studiobossen durchkämpfen müssen, die natürlich lieber einen Helden gehabt hätten. Ich war von den Socken. Ginge sowas vielleicht auch im echten Leben? Ein paar Jahre später las ich ein Interview mit einer Frau namens Monika Griefahn, die den deutschen Ableger einer Organisation namens Greenpeace mitgegründet hatte. „Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass ich weniger erreichen könnte als irgendein Mann“, sagte sie. Da will ich arbeiten, dachte ich. Durch Zufall klappte das sogar ein paar Jahre später. Es war, verglichen mit meinem Kurzzeitarbeitsplatz bei einer Reederei, auch ein anderer Planet. Auf dem, wir wollen ehrlich sein, damals fast ausschließlich (weiße) Männer das Sagen hatten.

Da jedoch die Zeit weder stillsteht noch rückwärtsläuft, hat sich in den letzten Jahrzehnten doch ein bisschen was geändert. Greenpeace International hat heute eine Chefin, und einer jungen Schwedin namens Greta Thunberg verdankt die Welt die Bewegung Fridays for Future, nur mal so als Beispiel.

Doch weil das berühmte Mao-Zitat nun mal lautet „Frauen können die Hälfte des Himmels tragen“, gibt es nichts geschenkt. Es sind noch genügend Baustellen übrig: das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen etwa, die auf Männer zugeschnittene Medizin und die berühmte gläserne Decke, die Frauen den beruflichen Aufstieg versperrt. Städte und Verkehr werden von Männern für Männer geplant, Sicherheit im Auto ist für Frauen (und Männer außerhalb der körperlichen Norm) Glückssache. Die Klimakrise trifft vor allem im globalen Süden Frauen härter als Männer. Frauen und Mädchen in aller Welt brauchen dringend Bildung, Respekt – und sanitäre Anlagen. Ein langer Weg. Könnten ein paar Lichtjahre sein. Das eine oder andere Alien wird unterwegs wohl noch dran glauben müssen.

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Nächsten Freitag legt die Wochenauslese ein kleines Päuslein ein, weil die Redaktion an einer neuen Ausgabe des Greenpeace Magazins bastelt. Am 11. Februar sind wir wieder da.

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Unsere Autorin Kerstin Eitner erinnert sich an eine Sternstunde des Science-Fiction-Films
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Kerstin Eitner
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