Text

wissen Sie, was der artenreichste Lebensraum auf unserem Planeten ist? Wahrscheinlich denken Sie jetzt an die tropischen Regenwälder. Oder sind es doch die Korallenriffe? Oder die Tiefsee? Alles falsch. Ich habe wirklich gestaunt, als ich von dieser Zahl gelesen habe: Die größte Artenvielfalt auf der Erde herrscht – unter der Erde. Zwei Drittel aller Arten verbringen ihr Leben zumindest teilweise im Boden, mehr als doppelt so viele, wie man bisher angenommen hatte.

Die verblüffende Zahl ist das Ergebnis einer Studie, für die drei Wissenschaftler aus der Schweiz im vergangenen Jahr umfangreiche Datensätze aus der Fachliteratur ausgewertet haben. „Vor allem für die ganz kleinen Organismen wie Bakterien, Viren, Archaeen, Pilze und Einzeller hat noch niemand eine Schätzung der Vielfalt versucht“, sagte Mark Anthony von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, der Erstautor der Analyse, die im renommierten Fachjournal PNAS erschienen ist. Neben Millionen unterschiedlicher Mikroorganismen leben auch Abertausende Arten von Ringel- und Fadenwürmern, von Asseln, Springschwänzen und Insekten unterirdisch. Sie alle zusammen halten einen Kreislauf in Gang, der das Leben auf der Erde erst möglich macht: das ewige Recycling der Überreste abgestorbener Pflanzen und Tiere, die anschließend als Nährstoffe für neues Leben wieder zur Verfügung stehen. Es ist ein faszinierend ausgeklügeltes System, das sich die Natur da ausgedacht hat – und das auch die menschliche Ernährung sichert.

Doch das „System Erde“ ist in Gefahr. „Die Böden stehen enorm unter Druck, sei es durch landwirtschaftliche Intensivierung, den Klimawandel, invasive Arten und vieles mehr“, sagt Mark Anthony. Der Ökologe hofft, dass seine Vielfaltsstudie das Bewusstsein dafür schärft, wie wertvoll das Bodenleben ist und wie wichtig sein Schutz. Und genau dazu möchten wir auch mit dem neuen Greenpeace Magazin einen Beitrag leisten, das in der kommenden Woche erscheint.

Auf 45 Seiten gehen wir unter dem Motto „Bodenlos“ der Frage nach, wie wir unsere Lebensgrundlage erhalten können, die durch Pestizide vergiftet, durch Pflüge der Erosion preisgegeben, durch Autobahnen versiegelt und durch den Vormarsch der Wüsten vernichtet wird. Wir liefern Ihnen Zahlen und Hintergründe zum Verlust der Böden weltweit, erklären in einem Report, wie die explodierenden Landpreise die deutsche Agrarwende gefährden, und zeigen, wie in Lettland wertvolle Moorböden abgebaut werden, um als Torf in deutschen Kleingärten und Gemüsegärtnereien zu enden.

Doch unsere Recherchen haben uns auch zu Menschen geführt, deren Engagement und Weitsicht Mut machen: Die Reporter Marius Münstermann und Christian Werner haben Landwirtinnen und Landwirte auf ihren Höfen besucht, die den Bodenverlust nicht nur stoppen, sondern die Entwicklung sogar umdrehen wollen – indem sie mit neuen Anbaumethoden den Humusaufbau fördern. Ihre Reportage ist spannender Lesestoff und optischer Genuss zugleich.

Neben unserem erdverbundenen Schwerpunktthema möchte ich Ihnen auch unseren multithematischen Teil 2 der neuen Ausgabe ans Herz legen, der ebenfalls – vor ernstem Hintergrund – Ermutigendes für Sie bereithält: Wir berichten über Meeresschutz in Thailand, über sauberen Goldschmuck, von einem transpazifischen Tête-à-Tête unter Walen und dem Stopp des geplanten Atommüllendlagers in Würgassen. Außerdem hat unser Reporter Nils Klawitter recherchiert, wie viel Wasser und Strom die gigantischen Rechenzentren von Digitalkonzernen wie Meta verschlingen – und wie eine kastilische Dorfgemeinschaft sich dagegen wehrt.

Ganz besonders empfehle ich aber das Doppelinterview mit den Friedensaktivistinnen Yael Braudo-Behat und Marwa H. zur Lektüre – die eine israelische Jüdin, die andere Palästinenserin aus dem Westjordanland. Mein Kollege Fred Grimm konnte mit den beiden Aktivistinnen sprechen, kurz bevor ihre Schwesterorganisationen „Women Wage Peace“ und „Women of the Sun“ gemeinsam für den Friedensnobelpreis nominiert wurden. „In vielen Teilen der Welt wird mal für Israel, mal für Palästina demonstriert“, sagt Braudo-Bahat: „Wir sagen, hört auf so zu denken. Fangen Sie an von ,Pro Frieden' zu sprechen, für beide Seiten, für die Frauen.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein schönes Wochenende – mit Vorfreude auf das Magazin, das am Mittwoch erscheint!

Schlagworte
Autorenbild
Anje Jager
Unterschrift
GPM
Untertitel
Redakteur Wolfgang Hassenstein freut sich auf eine tiefgründige Ausgabe des Greenpeace Magazins
Stichzeile
Wochenauslese
Text Credit Beschriftung
Text
Kachel Viel Text
Off
Hintergrundfarbe
#fbe8ff
Startseiten Sortierung
-526
Unterschrift Text

Wolfgang Hassenstein
Redakteur

Überschrift
Schon gelesen?
Überschrift
Schon fair eingekauft?
Überschrift
Schon abonniert?
Startseite Pinned
Aus
Startseiten Sortierung Backend
-523