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benutzen Sie Zahnseide oder eine Pfanne mit Antihaftbeschichtung, vielleicht zum Braten von Fischen und Meeresfrüchten? Holen Sie sich unterwegs öfter mal Pommes oder andere Snacks in vermeintlich umweltfreundlichen, beschichteten Pappverpackungen? Wandern Sie gern in geeignetem Schuhwerk und gut imprägnierter Outdoorkleidung? Über diese und viele andere Alltagsprodukte können PFAS in Ihren Körper gelangen, aber auch über die Lebensmittel auf Ihrem Teller, Trinkwasser, Staub und mancherorts mit der Umgebungsluft. Es ist zwar möglich, ihre Aufnahme zu verringern, aber es kostet einige Mühe.

PFAS ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, eine im Wortsinn weltweit verbreitete Gruppe von Chemikalien. Die Großfamilie besteht aus Tausenden festen, flüssigen oder gasförmigen Verbindungen. Über Meeresströmungen, Luft und Regen werden sie buchstäblich bis in den letzten Winkel der Erde transportiert. Dass sie in so vielen verschiedenen Produkten verarbeitet werden, liegt an ihren guten Eigenschaften. Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend, hitze- und druckbeständig, nicht mal Säure kann ihnen etwas anhaben. Kehrseite: Die extrem stabilen Ewigkeitschemikalien bauen sich in der Natur nicht ab, sondern bleiben über tausend Jahre in Böden, Grundwasser, Pflanzen und Tieren und selbst in dem Niederschlag, der über den Polregionen niedergeht.

Bei der Verteilung problematischer Substanzen auf dem gesamten Erdball hat die Menschheit, das muss man ihr lassen, ganze Arbeit geleistet (und tut das weiterhin unermüdlich). Auch das allgegenwärtige Mikroplastik, das in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen hat, landet ja keineswegs nur in Industriegebieten oder -staaten, sondern ist auch in eher menschenleeren Regionen wie Wüsten, Tiefsee, Hochgebirge und sogar auf dem Mount Everest zu finden.

Praktisch jeder Mensch auf dem Planeten hat PFAS im Blut, und das ist alles andere als harmlos. Sie schädigen Leber, Hormon- und Immunsystem, beeinträchtigen die Fortpflanzung, gefährden ungeborene Kinder im Mutterleib und stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen. Systematisch erfasst werden sie nicht, da ihre Gefährlichkeit angeblich erst seit Kurzem bekannt ist. Die US-Chemiefirma DuPont allerdings wusste das seit 1961, setzte ihre Teflonproduktion aber ungerührt fort, bis ein Viehfarmer und sein Anwalt die Firma 1998 verklagten. Es kam zu einem Vergleich. Die Geschichte wurde verfilmt unter dem Titel Dark Waters (Vergiftete Wahrheit). Mittlerweile wurden in den USA Tausende weiterer Klagen eingereicht.

In Deutschland sind mindestens 1500 Orte, es können auch mehr sein, mit PFAS belastet; gern in der Nähe von Industrieanlagen, Flughäfen oder Mülldeponien. Die Bestandsaufnahme verdanken wir Recherchen von SZ, NDR und WDR. Schauen Sie doch mal auf der interaktiven Karte, ob sich die Ewigkeitsgifte auch in Ihrer Nähe befinden. Die Chancen stehen gut. Ach so: Sanierung? Vergessen Sie’s. Das ist sehr kompliziert und astronomisch teuer. Selbstverständlich lehnt die Industrie es ab, sich an den Kosten zu beteiligen.

Bliebe also ein Verbot. Einzelstoffe wie PFOA und PFOS sind bereits verboten, also zwei von rund 10.000. Fünf europäische Länder unter Federführung von Deutschland und den Niederlanden wollen aber tatsächlich Produktion, Verwendung und Import von PFAS in der EU verbieten und haben der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) Anfang des Jahres einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt.

Geprüft, diskutiert und hoffentlich – vermutlich mit Ausnahmen und Übergangsfristen – verabschiedet sein wird das Verbot nicht vor 2025. Schaut man sich das Gezerre um die Abstimmung über eine Neuzulassung von Glyphosat an (die übrigens nächste Woche wieder auf der Tagesordnung steht), kann einem ein bisschen mulmig werden. Zumal Industrieverbände, etwa Autoindustrie, Maschinenbau sowie Elektro- und Digitalindustrie, schon warnen, dass ein generelles Verbot die Klimaziele gefährde. Die offenbar immer dann entdeckt werden, wenn es an das eigene Geschäftsmodell geht.

Stimmt schon, es gibt nicht für alle Anwendungen Alternativen. Noch nicht. Aber: Versuch macht klug. Bei Outdoorkleidung hat es auch geklappt.

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Redakteurin Kerstin Eitner findet Langlebigkeit bei Produkten gut, bei Chemiegiften nicht
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Kerstin Eitner
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