Geht doch (nicht)

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wir Journalistinnen und Journalisten stehen oft vor einem Dilemma, wenn es um Klimathemen geht: Berichten wir über die ganze Brutalität der Klimakatastrophe, droht die Gefahr, Menschen abzuschrecken. Sie schalten ab. News fatigue, Nachrichtenmüdigkeit also, nennt man dieses Phänomen. Suchen wir stattdessen immer auch den konstruktiven, den positiven Dreh, um „konsumierbar“ zu bleiben, laufen wir Gefahr, zu banalisieren.

Wie viel Apokalypse die Menschen vertragen, ist für uns oft ein Drahtseilakt. Umso wichtiger sind daher all jene guten Nachrichten mit echter Relevanz – die aber seltsamerweise in der Großwetterlage oft untergehen. Zwei dieser Nachrichten erreichten uns vor ein paar Tagen aus Lateinamerika.

Geht doch

In Guatemala – einem Land, in dem die Mehrheit der Menschen in Armut lebt, in dem kritische Stimmen unterdrückt werden und das zu den Top Ten der am härtesten vom Klimawandel betroffenen Staaten zählt – hat am vergangenen Sonntag Bernardo Arévalo die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Das ist aus vielerlei Hinsicht erstaunlich, denn mit ihm haben die Menschen einen noch vor wenigen Wochen weitgehend unbedeutenden Abgeordneten zum Staatsoberhaupt gewählt und sich gegen die etablierten Eliten gestellt. Angetreten ist Arévalo mit dem Versprechen, die Korruption zu bekämpfen und sich für die Rechte der sozial Schwächeren und die indigene Bevölkerung einzusetzen.

Sein Sieg ist aber deswegen auch erstaunlich, weil er und seine 2018 gegründete Movimiento Semilla (Samen-Bewegung) den Klima- und Umweltschutz auf die öffentliche Agenda gesetzt haben – ein Thema, das die anderen Parteien bislang links liegen ließen. Doch die zunehmend heftigeren Hurrikans, Dürren und die fortschreitende Umweltzerstörung scheinen die Bevölkerung deutlich mehr zu beschäftigen als ihre Regierenden.

Auch in Ecuador hat sich am vergangenen Sonntag Bemerkenswertes abgespielt: Dort stimmten die Menschen per Referendum über den Stopp der Ölförderung im Naturpark Yasuní im Amazonasgebiet ab. Vor rund zwanzig Jahren hatte der damalige ecuadorianische Präsident Rafael Correa dem globalen Norden ein Angebot gemacht: Cash nicht für Öl, sondern für Natur, also dafür, dass Ecuador das Öl dem Klima zuliebe im Boden von Yasuní lässt. Rund 3,6 Milliarden Dollar sollte das die reichen Länder kosten. Der Deal aber platzte – und Correa ließ bohren.

Viele Menschen in Ecuador wollten dies nicht hinnehmen, eine jahrelange Auseinandersetzung folgte, bis zum Finale am Sonntag: Sechzig Prozent votierten für den Stopp der Förderung, obwohl das Öl eine wichtige Einnahmequelle des von multiplen Krisen gebeutelten Landes ist. Bis Ende 2024 müssen die Pumpen nun stillstehen, alle Rohre versiegelt werden.

Und so geht’s nicht

Beim Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter ist Ecuador damit einen Schritt weiter als Europa. Wie sehr hier nach wie vor auf Öl und Gas gesetzt wird, zeigt eine aktuelle Studie von Greenpeace. Demnach nutzen europäische Ölkonzerne wie Shell, BP, Total Energies und der deutsche Öl- und Gasproduzent Wintershall Dea ihre jüngsten Rekordgewinne, um weiter fossile Vorkommen auszubeuten. Erschütternde 93 Prozent der Investitionen flossen im vergangenen Jahr in entsprechende Projekte, nur sieben Prozent in erneuerbare Energien.

Dass die Ölindustrie nicht strenger reguliert wird – und sich die Regierungen auf den alljährlichen Klimakonferenzen nicht auf einen Förderstopp einigen, zeugt von einem schiefen globalen Kräfteverhältnis. Über die Macht der fossilen Konzerne berichten wir auch in unserem aktuellen Heft. Wenn Sie die Ausgabe Die Dunkelmänner noch nicht kennen, lege ich sie Ihnen sehr ans Herz. Bestellen können Sie das Heft hier, ein Abo abschließen hier.

Verzeihen Sie bitte, nun bin ich doch wieder auf die schlechten Nachrichten zu sprechen gekommen. Aber wenn wir schon mal dabei sind: Wie dringend ein Fahrplan für den Ausstieg aus den Fossilen ist, zeigt nicht zuletzt der lang erwartete Projektionsbericht 2023, in dem das Umweltbundesamt berechnet, ob Deutschland die Klimaschutzziele für 2030 und 2045 erreicht. Anhand dieser Prognose muss die Bundesregierung erklären, ob die aktuelle Politik ausreicht – oder eben nicht.

Das Urteil ist eindeutig: Die 130 Maßnahmen, mit denen sich die Ampel-Koalition brüstet, reichen bei Weitem nicht. Zwar führen sie zu deutlich mehr Einsparungen als in früheren Zeiten, das sollte man Rot-Gelb-Grün zugestehen. Doch am Ende bleibt der Maßstab nicht die vorherige Regierung, sondern die gesetzten Klimaschutzziele – und die werden weiterhin verfehlt, insbesondere in den Sektoren, in denen viel Öl und Gas verbrannt wird: Verkehr, Gebäude, Industrie.

Wir müssen reden

Sie, liebe Leserinnen und Leser, haben der aktuellen Bundesregierung schon letzte Woche ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Wir haben Sie gefragt, ob die Ampel-Koalition aus Ihrer Sicht genug für den Klimaschutz tut. Sie haben fleißig abgestimmt, und das Ergebnis ist eindeutig: 92 Prozent stimmten mit Nein. Ähnlich haben Sie auf die Fragen geantwortet, ob die Wirtschaft (91 Prozent Nein) und die Bevölkerung (95 Prozent Nein) genug gegen die Klimakrise unternehmen.

Oft fragen wir uns in Redaktionskonferenzen, ob Sie uns aufgrund negativer Nachrichten und kritischer Analysen manchmal lieber nicht lesen. Oder anders gefragt: Meiden Sie aufgrund der vielen Krisenmeldungen die Nachrichten? Das würden wir diesmal gerne von Ihnen wissen. Hier geht es zur Abstimmung. Das Ergebnis erfahren Sie in der nächsten Wochenauslese.

Auch persönlich würden wir gerne mit Ihnen ins Gespräch kommen. Was mögen Sie am Magazin? Was weniger? Welche Themen schätzen, welche vermissen Sie? Was bewegt Sie gerade? Erstmals werden wir dazu eine kleine Videokonferenz abhalten. Wenn Sie Lust haben, uns Ihre Meinung zu sagen oder uns besser kennenzulernen, melden Sie sich gern per Mail an unter: gpm@greenpeace-magazin.de – oder antworten Sie einfach auf diesen Newsletter. Bitte schreiben Sie uns kurz, warum Sie gern teilnehmen möchten, wir schicken Ihnen dann eine Einladung. Unter den Einsendern verlosen wir Geschenke aus unserem Warenhaus. Es lohnt sich also auf jeden Fall, sich bei uns zu melden. Wir freuen uns auf Sie!

Ihnen wünsche ich nun erstmal ein schönes Wochenende! 

Wenn Sie mögen, leiten Sie diese Wochenauslese gerne weiter. Abonnieren können Sie sie übrigens hier. Wenn Sie auch gerne unsere Presseschau zu Umwelt- und Klimaschutzthemen zugeschickt bekommen wollen, sollten Sie sich hier dafür eintragen – dann halten wir Sie montags bis freitags auf dem Laufenden. Wir freuen uns, wenn Sie dabei sind!

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Mehr Zuversicht wagen

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„Wie hältst du’s mit der Umwelt?“ Seit 1996 stellen Bundesumweltministerium und Bundesumweltamt den Deutschen alle zwei Jahre diese Gretchenfrage. Ergebnisse für das Jahr 2022 unter anderem: Umwelt- und Klimaschutz sind 57 Prozent der Befragten wichtig (2020: 65 Prozent), rangieren aber hinter Gesundheit, Bildung, sozialer Gerechtigkeit, Krieg und Terrorismus nur auf Platz fünf. Immerhin finden, hurra, satte 91 Prozent, die Wirtschaft sollte im Sinne des Klimaschutzes umgebaut werden.

Nur befürchten gleichzeitig drei Viertel, dass sich mit ebendiesem Umbau Einkommens- und Besitzunterschiede vergrößern würden. Gesellschaftliche Konflikte, soziale Ungerechtigkeit, Abstieg, steigende Preise und Inflation – die Transformation weckt allerhand Ängste. Nur zehn Prozent erwarten, dass sich ihre Lebensqualität verbessern wird.

Während die Mehrheit der Befragten der Ansicht ist, die Wirtschaft müsse den Wandel in Richtung Umwelt- und Klimaschutz gestalten und der Staat bitteschön dafür sorgen, dass das Ganze sozial gerecht vonstattengeht, sieht es mit der Bereitschaft zur Übernahme von Eigenverantwortung eher bescheiden aus. Nur 59 Prozent (2018: 74 Prozent) meinen, es sei auch Sache der Einzelnen, nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen.

Ja, so ist das: Wenn man ganz allgemein gefragt wird, ist man natürlich auch gern ganz allgemein für Klima- und Umweltschutz. Aber das heißt noch lange nicht, dass man auch gewillt ist, dafür selbst etwas zu tun oder gar Opfer zu bringen. „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann – frage, was du für dein Land tun kannst“: Mit dem berühmten (und, zugegeben, pathetischen) Satz aus John F. Kennedys Antrittsrede als US-Präsident darf man den Deutschen wohl eher nicht kommen.

Liefern und zahlen muss selbstredend der Staat. Da trifft es sich allerdings sehr schlecht, dass – nächste Umfrage, durchgeführt von Forsa im Auftrag des Deutschen Beamtenbundes (dbb) – das Vertrauen in diesen auf einen neuen Tiefstand gesunken ist. Weniger als ein Drittel der Befragten glaubt, dass der Staat in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen, knapp zwei Drittel sind nicht dieser Meinung. Auch die Unternehmen stehen nur bei 40 Prozent in hohem Ansehen.

Kurz gesagt, Staat und Wirtschaft, die den Deutschen zufolge den umwelt- und klimafreundlichen sowie sozial gerechten Umbau der Ökonomie vorantreiben sollen, gelten denselben Deutschen als unfähig, die Bevölkerung selbst möchte nicht so recht. Zu allem Überfluss schiebt nun noch die Organisation More in Common eine Studie zum gesellschaftlichen Zusammenhalt nach. Und raten Sie mal, was die Menschen denen erzählt haben: Ungerecht, egoistisch, gespalten und, da haben wir es wieder, mit einer unfähigen Regierung geschlagen, so gehe es hier zu.

Und weil die Redaktion des Greenpeace Magazins gar nicht genug kriegen kann von Umfragen, sind Sie hiermit herzlich eingeladen, an einer solchen teilzunehmen: Hier entlang. Vorab sei verraten: Sie ist sehr kurz, anonym und auch bei uns geht es um das Klima – das Ergebnis erfahren Sie in unserer nächsten Wochenauslese.

Wie aber, geschätzte Landsleute, kommen wir aus dieser so verbreiteten Tristesse wieder raus? Klar, es gibt derzeit wenig Grund, Regierung oder Wirtschaft über den grünen Klee zu loben. Die deutsche Bürokratie ist legendär, die Digitalisierung ein Witz, die Infrastruktur schwächelt, das Rentensystem droht in Schieflage zu geraten, die ach so begehrten ausländischen Fachkräfte, die sich hierher wagen, prallen zuerst auf die besagte Bürokratie und sodann auf sagenhaft schlecht gelaunte Einheimische, die immer noch ernsthaft glauben, Deutschland sei kein Einwanderungsland, und rechte Rattenfänger raunen was von Demokratie zurückholen, ausgerechnet.

Aber man kann Dinge auch so lange schlechtreden, bis alle dran glauben (ein schönes Beispiel: der Mythos von der Spaltung der Gesellschaft, die es, sagt der Soziologe Steffen Mau, gar nicht gibt). Ja, es wird richtig was kosten, Klima und Umwelt zu schützen, Geld ebenso wie Mühe. Und zwar für alle. Noch viel mehr würde es allerdings kosten, dies zu unterlassen. Außerdem weigere ich mich, zu glauben, dass alle nur denken: Och nö, nach mir die Sintflut. Stimmt ja auch nicht. Kleiner dimensionierte Sintfluten wie das Oderhochwasser 1997 oder die Überschwemmungen im Ahrtal 2021 haben das gezeigt, als wildfremde Menschen aus allen Bundesländern in den Katastrophengebieten auftauchten, die Ärmel hochkrempelten und einfach mit anpackten. Es gibt eben doch so etwas wie Gemeinsinn.

Hat noch irgendwer Lust auf Zukunft? Ich würde sehr gern in, sagen wir, fünfzig bis hundert Jahren mal nachschauen, ob es denn geklappt hat mit der Zeitenwende bei Klima und Umwelt. Ich bin zwar alles andere als eine Draufgängerin, habe aber zum Glück eine Wird-schon-werden-Haltung als Werkseinstellung. Die Erfahrung hat gezeigt: Wenn es schwierig wird, hilft einem Miesepetrigkeit kein bisschen weiter. Wie wäre es also, wenn wir es statt mit John F. Kennedy mit den Bremer Stadtmusikanten hielten: „Etwas Besseres als den Tod findest du überall“?  

Zum Schluss noch eine Bitte – falls Sie regelmäßige Leserin oder regelmäßiger Leser unseres Magazins sind: Wir würden gern mit Ihnen ins Gespräch kommen. Was mögen Sie am Magazin? Was weniger? Welche Themen schätzen, welche vermissen Sie? Wenn Sie Lust haben, uns Ihre Meinung zu sagen oder uns besser kennenzulernen, melden Sie sich gern per Mail an unter: gpm@greenpeace-magazin.de – oder antworten Sie einfach auf diesen Newsletter. Bitte schreiben Sie uns kurz, warum Sie gern teilnehmen möchten, wir schicken Ihnen dann eine Einladung. Unter den Einsendern verlosen wir Geschenke aus unserem Warenhaus. Es lohnt sich also auf jeden Fall, sich bei uns zu melden. Wir freuen uns auf Sie.

Ich wünsche Ihnen ein schönes und möglichst zuversichtliches Wochenende!

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Fossile Supermacht

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sorgen Sie sich nicht, alles wird gut! So könnte man die Botschaft auf den Punkt bringen, die Energiekonzerne wie RWE, Shell, BP und Co. seit Jahren wiederholen – und wie ich sie letztens in einem Kino-Spot vor dem Film „Oppenheimer“ wieder zu sehen bekam. Schon eine ironische Parallele, die Werbung für klimaschädliche Energiekonzerne so direkt vor ein Kino-Opus über den Vater der Atombombe zu setzen. Während es auf unserem Planeten gefühlt überall brennt – wie gerade auf Hawaii – oder Flüsse aufgrund von schmelzenden Gletschern so stark anschwellen, dass sie ganze Dörfer mit sich reißen – wie in Alaska oder Slowenien – werben fossile Konzerne mit Windrädern auf hoher See unter blauem Himmel, mit Solarparks im Sonnenuntergang und mit futuristischen Pilotanlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff. Man muss schon lange auf ihren Webseiten herumklicken, um überhaupt mal eine Pipeline oder einen Bohrturm zu sehen. Alles sauber, alles auf einem guten Weg also?

Wir haben es eher mit einer Atombombenexplosion in Zeitlupe zu tun. Wir verbrennen so viele fossile Brennstoffe wie noch nie, die Emissionen steigen und steigen. Shell zum Beispiel kündigte im Juni an, seine Pläne aufzugeben, die Öl- und Gasproduktion bis zum Ende des Jahrzehnts zu drosseln – und stattdessen die Fördermengen womöglich sogar zu erweitern. „Eine rücksichtslose Fokussierung auf die profitabelsten Vermögenswerte“, nennt Shell-Chef Wael Sawan das zur Freude seiner Anleger. BP verkündete eine ähnliche Kehrtwende, kurz danach stiegen auch hier die Aktienkurse stark an. Exxon Mobile stellte klar, dass „es höchst unwahrscheinlich ist, dass die Gesellschaft die Verschlechterung des globalen Lebensstandards akzeptieren würde“, die erforderlich wäre, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Ein Wahnsinnssatz, wenn man bedenkt, dass an manchen Orten auf der Nordhalbkugel bereits Temperaturen erreicht werden, die an die Grenzen des menschlichen Überlebens stoßen. 

Lizenzen zum Pumpen

Shell weist sogar von sich, Klimaziele überhaupt beeinflussen zu können: „Wenn die Gesellschaft es nicht schafft, dann auch wir nicht.“ Ironischerweise stimmt das sogar ein bisschen, denn der Großteil der weltweiten Reserven wird von Unternehmen im Staatsbesitz gefördert. Und Regierungen arbeiten fleißig am fossilen Ausbau mit: So erklärte der britische Premier Richi Sunak kürzlich, über hundert neue Lizenzen zur Erschließung neuer Öl- und Gasquellen zu erteilen.

Alle Klimaversprechen und Investitionen in Erneuerbare Energien verblassen angesichts der massiven fossilen Expansion, die mit aller Macht vorangetrieben wird: Laut der Internationalen Energieagentur geben Öl- und Gasunternehmen in diesem Jahr voraussichtlich mehr als 500 Milliarden Dollar für die Suche, die Förderung und das Raffinieren neuer Öl- und Gasvorkommen aus. 425 solcher Großprojekte sind in den kommenden Jahren geplant, oft in Naturschutzgebieten oder im Meer. Allein Exxon gibt dafür 21 Millionen Dollar aus. Am Tag.

Zahlen, die man erst einmal verdauen muss. Wir in der Redaktion haben uns gefragt: Wie kann das sein? Wer ist dafür verantwortlich? Und warum stoppt niemand diese Menschen, die uns immer tiefer in die Klimakrise reiten? Die neue Ausgabe des Greenpeace Magazins mit dem Titel „Die Dunkelmänner“ dreht sich um die Supermacht, die unsere Welt als fossilen Selbstbedienungsladen begreift – und dabei unsere Demokratie bedroht. 

Der freundliche Ölmanager von nebenan

Mein Kollege Fred Grimm schreibt in seinem Essay über den auch in Deutschland tobenden Kulturkampf, in dem offene und versteckte Lobbyisten für fossile Konzerne den Klimaschutz demontieren. Kein Gedankengang ist absurd genug, um ihn nicht auszusprechen: Da fantasiert ein Markus Söder, immerhin bayrischer Ministerpräsident, von „Zwangsveganismus“ und einem „Bratwurstverbot“ – was nicht mal auf der Agenda der härtesten Grünen steht. Und Frank Schäffler, der immer einflussreichere „Klimaskeptiker“ aus der FDP-Bundestagsfraktion sieht die Wärmepumpe – oder zumindest das neue Gebäudeenergiegesetz – schon als „Atombombe für das Land“. Offensichtlich hat er den „Oppenheimer“-Film noch nicht gesehen.

In Ostafrika, in Argentinien, vor Rügen und vor Wilhelmshaven haben wir vor Ort beobachtet, was die Öl- und Gasindustrie dort mit der Natur, den Menschen und den Tieren anstellt. Und damit die Verantwortlichen dafür endlich etwas prominenter werden, stellen wir Ihnen die CEOs der zwölf größten fossilen Konzerne einfach mal vor. Ob wir sie wegen fahrlässiger Tötung demnächst vor Gericht wiedersehen, erklärt uns Christina Voigt, Rechtsprofessorin und Fachfrau für internationales Umwelt- und Klimarecht, im Interview.

Frauke Ladleif und Monika Rößiger widmen sich in einem großen Report dem Hype um den grünen Wasserstoff, mit dem wir angeblich bald heizen, fahren, Stahl erzeugen und fliegen sollen – erfahren Sie, wieviel hinter diesen Versprechen steckt, wer davon profitiert und wo der „Champagner der Energiewende“ wirklich sinnvoll zum Einsatz käme.

Im zweiten Teil des Heftes finden Sie weitere inspirierende Geschichten: Etwa über junge Skaterinnen in Indien, die auf Ihren Boards zugleich mit patriarchalen Strukturen und traditionellen Frauenklischees brechen. Außerdem hat Technik-Experte Nikolaus Fecht für uns recherchiert, wie das Auto der Zukunft aussehen könnte – das fünfzig Jahre durchhält. Lego hat auch etwas damit zu tun. Und wenn Sie schon immer mal Pilze sammeln wollten, sich aber länger nicht mehr getraut haben, erklären wir in unserem Servicebeitrag passend zur Saison, wie man die Essbaren von den Giftigen unterscheidet.

Einladung zum Gespräch

Falls Sie das Greenpeace Magazin bereits abonniert haben, möchte ich Ihnen danken, dass Sie uns auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Treue halten. Themen wie die Klima- und Umweltkrise und ihre Profiteure erfordern hartnäckige Recherche und viel Durchhaltevermögen. Wir verzichten auf Werbung, wir haben uns der Unabhängigkeit verpflichtet – und mit einem Abo machen Sie unsere Arbeit erst möglich. Wenn Ihnen gefällt, was wir tun, würden wir uns freuen, wenn Sie anderen vom Greenpeace Magazin erzählen. Ein Abo gibt es hier – auch als Geschenk, falls Sie jemandem eine Freude machen wollen.

Vor allem aber wollen wir mit Ihnen ins Gespräch kommen. Was mögen Sie am Magazin? Was weniger? Welche Themen schätzen, welche vermissen Sie? Zu dieser Ausgabe werden wir erstmals eine kleine Videokonferenz abhalten. Wenn Sie Lust haben, uns Ihre Meinung zu sagen oder uns besser kennenzulernen, melden Sie sich gern per Mail an unter: gpm@greenpeace-magazin.de – oder antworten Sie einfach auf diesen Newsletter. Bitte schreiben Sie uns kurz, warum Sie gern teilnehmen möchten, wir schicken Ihnen dann eine Einladung. Unter den Einsendern verlosen wir Geschenke aus unserem Warenhaus. Es lohnt sich also auf jeden Fall, sich bei uns zu melden. Wir freuen uns auf Sie.

Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und ein schönes Wochenende!

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Schulden bei der Erde

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Unsere Kollegin Kerstin Eitner, die Sie sonst an dieser Stelle auf unnachahmliche Weise durch das Wochengeschehen führt, weilt noch im wohl verdienten Urlaub.

Wahrscheinlich würde auch die Erde gerade gern mal ein paar Tage Pause machen. Von uns. Der „Earth Overshoot Day“, der den Tag des Jahres markiert, ab dem die Menschheit mehr natürliche Ressourcen verschlingt, als die Erde binnen eines Jahres zur Verfügung stellen kann, liegt gerade hinter uns. Er fiel in diesem Jahr auf den 2. August. Würden alle so leben wie wir in Deutschland, wäre dieser Tag bereits am 2. Mai erreicht worden. Ich frage mich, warum die FDP, immerhin die Partei, die in Deutschland Anfang der Siebzigerjahre eine wegweisende, leider recht bald wieder vergessene Umweltpolitik entwickelte, nicht auch mal auf diesem Gebiet eine „Schuldenbremse“ einfordert. Denn anders als Ausgaben für Kinder, Bildung, die Energie- und Mobilitätswende, sind die Schulden, die wir heute bei der Erde machen, keine Investitionen in eine lebenswertere Zukunft, sondern das genaue Gegenteil.

Um im Vergleich zu bleiben: Sparen sollten wir nicht beim dringend überfälligen Ausbau der Bahn oder bei der Ausstattung von Schulen und Kindertagesstätten. Nein, Sparsamkeit wäre dringend geboten beim Verbrauch von Energie und Rohstoffen, vor allem in der deutschen Industrie, die immer noch so verschwenderisch wirtschaftet als gäbe es kein Morgen mehr. Was dann ja auch irgendwann mal stimmt. 

Wenn es jetzt irgendwo in Ihrem Hinterkopf leise klingelt – da war doch was? –, täuscht Sie Ihr Gedächtnis nicht. Als mit dem russischen Überfall auf die Ukraine einige nervöse Wochen lang auf einmal die deutsche Energieversorgung gefährdet schien, versäumte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck keine Rede, um auch von den Unternehmen Sparsamkeit beim Verbrauch und eine deutlich ressourcenschonendere Produktion einzufordern. Ein entsprechendes „Energieeffizienzgesetz“, zu dem unsere Regierung übrigens allein schon durch EU-Auflagen verpflichtet ist, wurde fortan mindestens so häufig angekündigt wie der Wiederaufstieg des HSV in die Erste Bundesliga. Und ähnlich wie bei meinem Lieblingsverein seit Kindertagen – so etwas kann man leider nicht mehr ändern – kommt halt immer irgendwas dazwischen. Vergangenen Winter sollte das Gesetz, das deutsche Behörden und Unternehmen zu strengem Umwelt- und Energiemanagement verpflichtet, endlich vorgelegt werden. Dann bis spätestens bis zum Frühling. Auf jeden Fall ganz bald.

Nun war es tatsächlich soweit und in der letzten Bundestagssitzung vor der Sommerpause am 7. Juli stand das zur Abstimmung, was vom Energieeffizienzgesetz noch übrig geblieben war. Denn nach „eindringlichen Gesprächen mit mit Abgeordneten und dem Ministerium“, wie der Bund der deutschen Industrie es zurückhaltend formulierte, war die Pflicht für Großverbraucher, binnen zwei Jahren in wirksame Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren, vom Tisch. Auch die eigentlich sinnvolle Zwangsnutzung industrieller Abwärme, konnten die deutschen Unternehmen mannhaft abwehren. Und „Verbrauchsbegrenzungen“ für einzelne Betriebe, was die christdemokratische Ludwig-Erhardt-Stiftung bereits vorsorglich als „Klimaplanwirtschaft“ geschmäht hatte, standen nach weiteren intensiven Diskussionen mit den Lobbyisten ebenfalls nicht mehr im Gesetz. Doch nicht einmal die traurige Parodie eines „Energieeffizienzgesetzes“ schaffte die Hürde. Ausgerechnet die AfD, der die ganze Richtung ohnehin nicht passt, ließ die Beschlussunfähigkeit des Hauses feststellen, als die meisten Abgeordneten längst in die Sommerferien verschwunden waren. Den Fraktionen der Ampelkoalition ist das Energiesparen mittlerweile offenbar so egal geworden, dass sie sich die Abstimmung darüber auf diese Weise gleich ganz gespart hat. Fürs erste jedenfalls. Wir haben ja Zeit.

Woran Menschen auch in diesen komplizierten Zeiten hingegen wirklich niemals sparen sollten, sind Bekundungen der Liebe. Ein kleiner Zettel am Morgen, eine liebevolle Nachricht zwischendurch, eine Umarmung, ein kurzer Anruf – wir können das, glaube ich, alle gerade vielleicht noch ein bisschen mehr gebrauchen als sonst. Dass es in dieser Hinsicht kein Zuviel geben kann, hat kürzlich der amerikanische Farmer Lee Wilson aus Pratt im US-Bundesstaat Kansas eindrucksvoll demonstriert. Mit Hilfe seines Sohnes hatte er im Mai heimlich auf einem 32 Hektar großen Feld Sonnenblumen ausgesät. Als Geschenk zum goldenen Hochzeitstag blühen dort jetzt 1,2 Millionen prachtvolle Blumen als Zeichen der Liebe zu seiner überglücklichen Frau Renee. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein sonniges und besonders liebevolles Wochenende!

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Unser Redakteur Fred Grimm fragt sich, was eigentlich aus den Energiesparplänen wurde
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